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Can I have a sip? – Café Sip Sip

Tübingen - Wer letzten Sommer einmal Richtung Unterjesingen aufs Feld spaziert ist, wird vielleicht einen blauen Container am Wegesrand bemerkt haben. Oftmals einhergehend mit einer bunten Ansammlung an Kaffee schlürfenden oder Kuchen genießenden Menschen. Wahrscheinlich werdet ihr euch gefragt haben, was es damit auf sich hat und wie es dazu kam? Uns ging es nicht anders und so haben wir einmal nachgehakt, was es mit der blauen Coffeebox auf sich hat.


Die blaue Coffeebox mit dem passenden Namen Sip Sip (engl. to sip = einen Schluck trinken), ist ein

Familienprojekt, das unter anderem von Laura in die Tat umgesetzt wurde. Ihre Liebe zu einem eigenen Café

hatte sie in Amsterdam für sich entdeckt: „Es ging mir weniger um den Kaffee an sich, sondern mehr um die Cafékultur selbst“. Nach einer 3-jährigen Reise um die Welt, unter anderem nach Japan und Australien, kam Laura mit viel neu erworbenem Kaffeewissen und dem großen Wunsch nach einem eigenen Café nach Deutschland zurück. Die aufgeweckte Tübingerin hatte in Heilbronn International Business und International Studies studiert, ehe es für sie in die weite Welt hinausging. Dort arbeitete sie selbst auf Kaffeeplantagen mit und lernte in den Cafés Australiens, wie ein perfekter Espresso aufgebrüht wird und was es dabei alles zu beachten gilt.

Da sich Laura und ihre Familie schon immer für die Gastronomie- und Cafékultur interessiert hatten, beschlossen sie, nach Lauras Rückkehr ein gemeinsames Café zu gründen. Die Idee: Ein kleines Café an den Radweg in der Weststadt setzen, um so für die Spaziergänger:innen und Fahrradfahrer:innen eine kleine Wohlfühloase zu schaffen. Und so kam die Geburtsstunde der Coffeebox, die den malerischen Namen Sip Sip erhielt. Den Namen steuerte Laura bei, in Anlehnung an ihre Zeit in Australien: „Die Leute sagen ganz oft dort drüben: ‚Can I have a sip?‘. Wenn ich zum Beispiel Kaffee trinke und fragen möchte: ‚Kann ich mal probieren?‘, kann ich sagen: ‚Can I have a sip?‘. Die Leute sind immer so ‚am Sippen‘, sich entspannt einen ‚Reinprobieren‘“. Dank der am Container befestigten Räder kann dieser problemlos bewegt werden. Laura war mit dem Sip Sip daher unter anderem schon auf dem Flohmarkt in Reutlingen und auf einer privaten Geburtstagsfeier. Der Hauptplatz war jedoch der Radweg in der Weststadt: „Wir wollten so eine kleine Oase der Ruhe schaffen. Und das haben wir dann letzten Sommer im Juli gemacht. Es ist voll schön dort, weil du Sonne und Wiese hast. Du hast einfach kurz einen Moment, in dem es nicht laut ist und die Leute einfach dasitzen und die Bäume anschauen können“, schwärmt Laura. Die Coffeebox hatte immer an den Wochenenden geöffnet und erfreute die Menschen, die ihre freie Zeit an der frischen Luft genießen wollten.


Neben dem frisch gemahlenen Kaffee vom Suedhang lockte die Karte auch mit allerlei Köstlichkeiten: frisch gebackenes Bananenbrot aus der Tübinger Backstube, kühles Eis, Croissants und hausgemachte Blechkuchen mit wechselndem Obst vom Landgut Kemmler in Wankheim: „Das ist ein großer Bauernhof mit eigenem Café vorne dran. Sie haben da ihre eigenen Kühe und ihre eigenen Eier und machen alles von Hand und daheim, so richtig wie bei Oma.“, erzählt Laura begeistert. Für die Nichtkaffeetrinkenden gab es unter anderem kühle Getränke, wie Bier oder Limos, heiße Schoki oder auch frisch zubereitete Kurkuma-Latte, auch bekannt als Golden Milk. Sowohl für die Schokolade als auch für die Kurkuma-Latte verwendete Laura ihre eigenen Mischungen: „Mir ist wichtig, dass die Sachen nicht von mega weit herkommen. Und mir ist wichtig, dass so viel wie möglich bio ist und dass wir möglichst viel vegan und selbst herstellen, da ich selbst Veganerin bin. Die heiße Schokolade ist auch komplett vegan, oft wird bei heißer Schokolade ja auch noch Milchpulver beigemischt. Bei uns ist das echt nur Rohkakao und Rohrohrzucker und wird von mir selbst gemischt“, betont Laura. Der Kurkuma-Latte zählt zu ihren Lieblingsgetränken. Für die Mischung verwendet sie neben dem Namensgeber Kurkuma unter anderem Zimt, Nelken, Anis und Ingwer.


Ganz zur Freude Lauras wurde das Sip Sip gut angenommen. Die Weststädler:innen freuten sich, endlich nicht mehr bis in die volle Altstadt gehen zu müssen, um einen guten Kaffee zu bekommen und so manche Spaziergängerin oder Fahrradfahrerin freute sich über eine kurze Stärkung auf der Strecke. Für Laura steht die Arbeit in einem Café in engem Zusammenhang mit Gastfreundschaft und Gemeinschaft: „Mir ist sehr wichtig, die Leute kennenzulernen, die zu mir kommen. Ich hatte zwei Kunden, die oben in der Klinik in der Intensivcare arbeiten und coronamäßig ziemlich am Limit waren. Denen hatte ich mal gesagt, dass ich es voll krass finde, was sie da leisten und dass ich mir das gar nicht vorstellen kann. Bestimmt 3 Monate später kam einer der zwei zurück und meinte: ‚Ich muss dir jetzt mal sagen, dass dein Job auch mega wichtig ist. Du gibst uns 2 Minuten am Tag, in denen du uns zuhörst und uns ein gutes Gefühl gibst‘. Das fand ich so schön.“ Diesen Aspekt noch vertiefen zu können, vermisst sie am Take Away-Konzept.


Da es ihnen rechtlich nicht erlaubt ist, Tische und

Stühle aufzustellen, ist es sehr schwierig, Kulturprogramm auf die Beine zu stellen und die eigene Community zu pflegen: „Ich würde total gerne was communitymäßiges machen. Ich würde gerne den Raum für etwas schaffen, das auch Nicht-Student:innen betrifft. Es gibt viele Studierende in Tübingen, aber es ist super schwierig für andere außerhalb der Blase, Anschluss zu finden. Das bemerken mein Freund und ich gerade auch“, beklagt die gebürtige Tübingerin. Aus diesem Grund ist Laura nach wie vor auf der Suche nach Räumlichkeiten in den Außenbezirken Tübingens, um sich ihren Traum von einem eigenen Café verwirklichen zu können und hat dies auch an ihre Kundschaft des Sip Sips herangetragen: „Ganz viele haben sich eingebracht in die Suche nach Räumlichkeiten für mein eigenes Café. Die Leute wissen, wie schwierig das in Tübingen ist und bemängeln das auch.“ Die Saison des Sip Sips endete im September, als die Temperaturen zu kalt wurden, um weiterhin geöffnet zu bleiben und nicht mehr so viele Menschen vorbeikamen. Für die kommende Saison ist noch nicht klar, wie es für das Sip Sip weitergehen wird. Fest steht jedoch, dass die Coffeebox wieder auf Veranstaltungen aufzufinden sein wird. Der grenzenlose Markt in der Eisenbahnstraße in Tübingen wird unter anderem dabei sein.


Neben ihrer Arbeit in der Coffeebox ist Laura an den Wochenenden auch im Suedhang in der Altstadt anzutreffen. Wiederholt wurde dort an der Kasse nachgefragt, ob das Café denn auch Baristakurse anbieten würde. Das Suedhang musste diese Anfragen jedoch aufgrund von Zeitmangel immer mit einem Nein beantworten. Bis Laura die Idee kam, diese Kurse in der Firma ihres Vaters anzubieten. Das Equipment war dank des Sip Sips bereits vorhanden und der Schulungsraum schnell organisiert. Eine klassische Win-Win-Situation, erzählt Laura: „Als wir das Sip Sip im September zugemacht haben, weil es zu kalt wurde, habe ich mir gedacht: Ist ja blöd, dass wir die Kaffeemaschine den ganzen Winter stehen lassen müssen…“.

Seit dem Herbst 2021 können nun in regelmäßigen Abständen Baristakurse über das Suedhang oder den offiziellen Instagramkanal des Sip Sips gebucht werden. Der Kurs bietet eine informative Einführung in die Geschichte und den Anbau sowie die Vielfalt der Kaffeepflanze. Danach dürfen sich die Teilnehmenden an der Espressozubereitung probieren, ehe das Aufschäumen von Milch geübt wird. Den Abschluss krönt die Einführung in die sogenannte Latte-Art – dabei werden mithilfe der aufgeschäumten Milch Muster in den Espresso gegossen. Während des Übens gab Laura uns noch eine Einführung in die jeweiligen Phasen des Kaffeekonsums. Dieser kann in drei Phasen unterteilt werden. Die dritte Welle, die sogenannte Third Wave, lernte Laura sehr intensiv in Australien kennen: „Ich finde es so schön, dass Wertschätzung und Nachhaltigkeit gegenüber den Farmer:innen sowie Transparenz im Verkauf die Third Wave des Kaffeekonsums ausmacht“, betont sie. In Tübingen ist das Suedhang bisher das einzige, das seinen Kaffee im Sinne der Third Wave eher heller röstet, um so den Eigengeschmack der Kaffeebohne besser hervortreten zu lassen, ohne dass dieser von zu starken Röstaromen überdeckt wird. Es ist Lauras Traum, diese Kaffeephilosophie irgendwann auch in ihrem eigenen Café vertreten zu können. Doch bis es so weit ist, wird sie weiterhin im Suedhang, in den Baristakursen und möglicherweise auch wieder im Sip Sip in der Weststadt anzutreffen sein, um ihrer Leidenschaft nachzugehen: „Das ist der Grund, warum ich in diesem Beruf arbeite, weil ich mich voll gerne mit Leuten unterhalte, weil ich voll gerne wissen möchte, wer sie sind und was sie so machen.“


Haben wir euer Interesse geweckt? Dann könnt ihr euch das Sip Sip einmal selbst anschauen. Die Coffeebox wird im Mai 2022 auf der Gartenmesse „Gardenlive“ in Reutlingen anzutreffen sein, um den Menschen vor Ort ein Schlückchen Kaffee auszuschenken – oder um es mit den Worten der Coffeebox auszudrücken: A sip of coffee.


Fotos: SipSip Tübingen


Autorin: Julia Gonser

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