Tübingen - Das Leben von Ordensschwestern wirkt für Außenstehende meist etwas rückständig und nicht sonderlich zeitgemäß. Aber ist das wirklich so? Wir haben Schwester Maria Sophia (31) getroffen und eine Menge über ihren spannenden Weg ins Kloster und ein modernes Leben im Orden erfahren. Die frühere PR-Beraterin lebt heute in ihrem Konvent in Stuttgart und studiert an der Universität Tübingen Medienwissenschaft und Soziologie. Nach drei Jahren intensiver Prüfung hat sie sich schließlich im Alter von 24 Jahren für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft entschieden.
„Es ist kein Neuanfang, sondern ein Weiterschreiben” Sr. M. Sophia
Die Franziskanerin ist zwar katholisch getauft, aber ihre Familie hat mit Religion gar nicht so viel am Hut. Oder wie sie sagt: „Ich war nicht hardcore katholisch sozialisiert.“ Die heutige Ordensschwester erinnert sich, dass sie ein sehr spirituelles Kind war und obwohl christliche Rituale und Traditionen in ihrem Elternhaus nicht wirklich großgeschrieben wurden, hat sie sich schon immer vom christlichen Glauben angezogen gefühlt. In ihrer Jugend entstand durch eine gewisse „Systemkrise“ eine Distanz zur Amtskirche und zu Gott. In dieser Zeit beschäftigte sie sich auch mit anderen Glaubensformen, wie dem Hinduismus, dem Buddhismus oder dem Naturspiritualismus. Aber was führte sie letztlich wieder auf den Weg Richtung Jesus?
Im Leben der jungen Studentin und später PR-Beraterin stand der messbare Erfolg eine lange Zeit im Vordergrund. Dadurch haben sich ihr immer wieder dieselben Fragen aufgedrängt: „Wer bin ich, wenn ich keine Leistung erbringe?“ oder „Wofür mache ich das alles und wohin bewegt sich mein Leben mit dem Erfolg und dem ganzen fancy shit?“ Mit diesen Fragen im Gepäck ist sie zu den Franziskanerinnen von Sießen gefahren, „um mal kurz innezuhalten und sich einzunorden“, so die Ordensschwester. In dieser Zeit des Stillstehens und des Hörens wurde ihre Berufung und die Erfüllung ihres Lebens schließlich sichtbar.
„Nur, weil ich mich für etwas entschieden habe, heißt das nicht, dass das der einzige Weg zur Destination X ist.“ Sr. M. Sophia
Family and Friends
Doch wie haben Familie und Freunde auf diese abrupte Kehrtwende reagiert? Für ihre Eltern war diese Entscheidung ein ganz schöner Schock. Da sie, wie viele andere Menschen auch, ein gewisses Bild von Amtskirche und dem Leben im Orden hatten, war erstmal ein großer Annäherungs-prozess nötig, der sich über fünf Jahre erstreckte. „Meine Eltern haben bemerkt, dass ich ein viel zufriedenerer Mensch geworden bin. Dadurch hat sich vieles beruhigt“, erzählt die Franziskanerin von Sießen. Auch Freund:innen haben sich trotz ihrer unkonventionellen Lebens-entscheidung nicht von ihr abgewendet. Und obwohl heute spontane Treffen kaum möglich sind und auch die räumliche Distanz des Öfteren ein Thema ist, halten das viele ihrer Freundschaftsbeziehungen sehr gut aus. Außerdem stellt sie fest: „Dadurch, dass ich mich mehr auf Gott eingelassen habe, bin ich jetzt viel fähiger und gewillter neue Beziehungen einzugehen.“
Durch Verzicht zu einem „Mehr an Leben”
Verzicht - Damit verbinden viele Menschen das Leben im Kloster. Zu Recht, denn es nimmt einen großen Part im Leben einer Ordensschwester ein und kann durchaus einen sehr positiven Impact haben. In einer reizüberfluteten Welt, die geprägt ist von SocialMedia, schnelllebigen Trends und der Jagd nach beruflichem Erfolg, steigt in der Gesellschaft zunehmend die Sehnsucht nach Ruhe und Detox an. Schwester Maria Sophia erklärt: „Verzicht heißt auch, dass ich frei werde für anderes.“Und somit ist der Eintritt in das Klosterleben geprägt durch ein tiefgreifendes Loslassen, das einen großen Raum schafft, der nun auf eine neue Art und Weise gefüllt werden darf.
Zum Tätowierer gehen, das regelmäßige Besuchen von Clubkonzerten oder auch Mode, sind beispielsweise Unternehmungen und Dinge, nach denen sie sich hin und wieder sehnt. Dennoch lohnt es sich in ihren Augen die, wie sie es nennt,„privilegierten Vermissungen“ aufzugeben. Der Verzicht in den verschiedensten Lebensbereichen führt nämlich nicht zu einem Weniger, sondern vielmehr zu einem „Mehr an Leben“, macht die Franziskanerin deutlich.
„Wir haben alle nur einen Splitter von Wahrheit und vielleicht ergibt es irgendwann mal ein schönes Bild.“ Sr. M. Sophia
Zwischen Instagram, Feminismus, LGBTQIA+ und Glaube
Auf Instagram gibt die Franziskanerin ihren Followern regelmäßig Einblicke in ihr Leben als Ordensschwester und Studentin. Und obwohl Instagram einen Zugang zu vielen verschiedenen inspirierenden Lebensentwürfen bietet, ist sie alles andere als betrübt darüber, damit konfrontiert zu werden: „Ich finde es glorreich, so viele verschiedene Ideen von Leben zu sehen", merkt sie an. Sollte es sie traurig stimmen, so müsse sie vielmehr darüber nachdenken, wo genau die Schieflage in ihrem eigenen Leben besteht. In solchen Momenten sei es hilfreich „kurz mal stehen zu bleiben“, hin und wieder Zweifel zuzulassen und der eigenen Vulnerabilität Raum zu geben.
Schwester Maria Sophia nutzt die Plattform unter anderem auch dafür, um über Themen, wie Feminismus und die Queere Community aufzuklären. Durch den Austausch mit anderen Franziskanerinnen hat sie festgestellt: „Mein Feminismus ist nicht automatisch der Feminismus meiner Mitschwestern.“ Sie erzählt begeistert von der Resilienz mancher Ordensschwestern, die seit Jahrzehnten um männerdominierte pastorale Felder kämpfen - Dies ist beispielsweise Feminismus, der tagtäglich im Orden gelebt wird. Wie auch im Kloster, haben verschiedene Mitmenschen und Generationen ein unterschiedliches Bild von Frau-Sein, Mann-Sein und Mensch-Sein, deshalb ist es wichtig, durch ein „Begegnendes Erklären“ Räume zu schaffen, in denen Support und Austausch möglich sein kann.
„Durch das Leben im Orden bin ich in ein generationsübergreifendes Women support Women gewachsen. Wir ziehen alle an einem Strang, auch wenn dieser an manchen Stellen unterschiedlich geflochten ist.“ Sr. M. Sophia
Fotos: © Sr. M. Sophia | @sr.m.sophia | @_diedani | @the_marcelkraemer
Autorin: Vicky
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