Tübingen - Tattoos faszinieren, inspirieren, machen nachdenklich aber auch unheimlich glücklich und lassen so manche Betrachter:innen mit Fragezeichen im Kopf zurück. Diese besondere Kunstform löst so einiges in uns aus - aber am Ende ist es doch immer eine besondere Art der Bewunderung.
„Tätowieren war immer das Einzige, was ich machen wollte. Das war mein Plan A - einen Plan B gab es nie“, erzählt uns Lisa Thamm aka Liz Lovetta (23) im Gespräch über ihren Weg in die Tattoowelt. Welche besondere Rolle dabei ihre Eltern, TV-Star Kat Von D und Depressionen spielen, erfahrt ihr jetzt.
Zwischen Schule und Miami Ink
Bereits im Alter von acht Jahren war Liz Lovetta
klar, dass das Tätowieren einen großen Part in ihrem Leben einnehmen wird. Die Faszination für die Tattookunst wurde in erster Linie durch die US-amerikanische Realityshow Miami Ink ausgelöst, die sie damals mit ihrem Vater anschaute. Vor allem die kalifornische Tätowiererin und Tierschutzaktivistin Kat Von D weckte in Liz eine enorme Bewunderung und bestärkte sie in ihrem Wunsch in die Tattooszene eintauchen zu wollen. Und so bekam sie von ihren Eltern zu ihrem 16ten Geburtstag eine Tattoomaschine geschenkt, mit der sie eine Weile auf Kunsthaut übte.
Da sich Liz voll und ganz dem Zeichnen hingab, hatte sie Schwierigkeiten sich auf den Schulstoff zu konzentrieren. Doch nach der Fachhochschulreife konnte es dann endlich so richtig losgehen. Da es keine offizielle Tätowiererausbildung gibt, ergriff Liz die Eigeninitiative und zog mit ihrer Zeichenmappe unterm Arm los, um einen Mentor zu finden, der sie in ihrem Lernprozess unterstützen könnte. Obwohl sie zunächst in einem Tattoostudio fündig wurde, stellte sie schnell fest, dass ihr neben fehlendem Respekt und Wertschätzung das Gefühl vermittelt wurde, als nicht extrovertierte Person nicht in die Szene zu passen. Trotz der Frustration und dem täglichen Struggle konnte sie schließlich mit viel Erfahrung im Gepäck das Studio verlassen und gemeinsam mit ihrem Partner Raphy (Shop-Manager) den Traum vom eigenen Studio voller Akzeptanz und Geborgenheit verwirklichen.
„Ich wollte einen eigenen Raum erschaffen, wo meine Kunden und ich so sein können, wie wir wollen.“ Liz Lovetta
In der Karlstraße 11/1 in Tübingen hat sie nun ihr eigenes Reich eingerichtet, das durch die dunkelgrünen Farben und Samtstoffe wie ein beruhigender Nadelwald wirkt. Viele kleine selbstgestalteten Details und Bilder schmücken den Raum, in den man am liebsten einziehen würde.
Harte Schale, weicher Kern
Dass das Tattoostudio von Liz den Namen Softheart Tattoos trägt, kommt natürlich nicht von ungefähr. Während der Pandemie beschloss die junge Künstlerin sich in die Selbstständigkeit zu stürzen - eine wahre Feuertaufe. Somit ist Liz bereits seit drei Jahren selbstständig und hat damit für ihr junges Alter schon so manche Hürde überwunden. Inmitten der ganzen Herausforderungen, Unsicherheiten und Hindernisse hat sie es geschafft ihr ‚soft heart‘ zu behalten und sich nicht der Verbitterung hinzugeben. Tattoos verkörpern in Liz Lovettas Augen eine gewisse Stärke und Roughness, dennoch darf nicht vergessen werden, dass sich dahinter ein sensibles und verletzliches Herz verbergen kann - harte Schale, weicher Kern eben.
„Jeder Mensch möchte für das, was er wirklich ist, gesehen werden. Tattoos sind deshalb ein sehr gutes Mittel, um die eigenen Gefühle nach außen zu tragen.“ Liz Lovetta
Drei Accounts - dreimal Tattoo-Passion
Anfangs hat die junge Tätowiererin viel Druck verspürt einen eigenen festgefahrenen Stil finden zu müssen, da das wohl in der Szene so erwartet wurde. Jedoch konnte und wollte sie sich nicht auf eine Stilrichtung festlegen, sondern sich frei entfalten und ihre Vielseitigkeit zum Ausdruck bringen. Zu den wiederkehrenden Motiven gehören seit ihrer Kindheit Blumen und Tiere, die auf ihre Naturverbundenheit zurückzuführen sind. Die Vielseitigkeit von Liz zeigt sich auch daran, dass sie auf drei unterschiedlichen Instagram-Accounts ihre Passion teilt. Bei @lizlovetta präsentiert sie die neotraditionelle Stilrichtung mit vielen bunten, satten Farben und klaren Linien. Ihre Blackwork-Motive findet man unter @softheart.tattoos und ihre Fineline-Arbeiten können auf dem Account @softlines.tattoo entdeckt werden.
Drei Accounts, die zeigen, wie unterschiedlich die Kunst des Tätowierens umgesetzt werden kann. Am allerliebsten sticht Liz Lovetta ihre Wanna-Dos, also selbstentworfene Motive, die sie in naher Zukunft gerne stechen wollen würde: „Mit Menschen, die sich von mir ein Wanna-Do-Motiv aussuchen, fühle ich mich besonders verbunden“, so Liz. Spannend wird es auch, wenn die Kund:innen dem/der Tätowierer:in Vertrauen und Freiheit schenken und bei der Motiverarbeitung eine Mischung aus der Vorstellung der Kund:innen und der eigenen Kunst bzw. Stilrichtung entsteht.
Identitätsfindung, Selbstakzeptanz und Depressionen
Bei den Begegnungen mit ihren Kund:innen kommen bei der Motiverarbeitung und im Studio so manche intime und sensible Geschichten an die (Haut-) Oberfläche. Durch den Wohlfühlort den Liz Lovetta erschaffen hat tritt immer häufiger das Thema Depression hervor, das sie persönlich ebenfalls betrifft. Sie geht damit sehr offen um und tauscht sich gerne über die verschiedenen Erfahrungen aus. Die Motivwahl bezieht sich oftmals auf die mentale Gesundheit ihrer Kund:innen. Das Tattoo kann somit ein hilfreiches Tool sein, das Erlebte zu verarbeiten oder mit einem ästhetischen Kunstwerk abzuschließen. Bedeutung hin oder her - Liz betont: „Das Tattoo muss als Motiv keine Bedeutung haben, denn sobald es auf deiner Haut ist, gehört es zu dir und deiner Geschichte.“ Die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst während der Motivwahl und der Erarbeitung dessen, kann helfen die eigene Identität zu ergründen und zu mehr Selbstakzeptanz zu finden. Liz geht gemeinsam mit ihren Kund:innen durch den schmerzhaften Prozess des Tätowierens aber auch durch den Prozess des Loslassens. All das mündet im Blick in den Spiegel und den leuchtenden Augen, die den Moment so magisch werden lassen.
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Fotos: © Liz Lovetta, @livlovetta | © Svetlana Kohlmeier, @svetlana_kohlmeier_fotografie
Autorin: Vicky
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