Die Welt des Theaters ist magisch - Immer wieder und wieder zieht sie uns in ihren Bann. Im Theatersaal sitzend stellt sich uns dann die Frage: Was verbirgt sich eigentlich hinter dem schweren Samtvorhang und den Menschen auf der Bühne?
Tübingen - Als Sohn eines Schweißers und einer Verkäuferin wuchs der Schauspieler Daniel Hölzinger in Frankfurt am Main auf. „Ich bin ein Arbeiterkind und hatte in der Kindheit wenig mit Theater zu tun“, so Daniel. In einem Gespräch erzählt er unter anderem von seinem Weg in die Theaterwelt, warum Theater auch im Umland wichtig ist und wie man es schafft sich nicht in einer Rolle zu verlieren.
Grafikdesigner vs. Schauspieler
Daniel respektiert den Beruf des Grafik-designers sehr, doch während seiner Ausbildung wurde ihm klar, dass er für einen Job vor dem Laptop zu viel Energie in sich trägt.
So zog er nach Berlin und fand seinen Weg in renommierte Häuser wie die Deutsche Oper, die Komische Oper und auch das Thalia-Theater in Hamburg.
Daniel entschied sich für den nächsten großen Schritt und begann ein Schauspielstudium in Zürich. Doch wie kam er nach Tübingen? Zumal er bereits in deutlich größeren Städten sein Talent unter Beweis stellen konnte.
Am Landestheater Niedersachsen Nord in Wilhelmshafen lernte Daniel eine Regisseurin kennen, die bereits für das Landestheater Tübingen und das ITZ gearbeitet hatte. Sie wusste, dass er auf der Suche nach einem Festengagement war und den Wunsch hegte in einem Ensemble zu arbeiten. Daraufhin empfiehl sie ihm das Landestheater
Tübingen. Mit drei Rollen und einem Lied im Gepäck kam Daniel zum Vorsprechen, das mit Erfolg gekrönt wurde - Daniel Hölzinger war nun Teil des jungen LTTs.
Theater für dich und mich
Was Daniel besonders gut an einem Landestheater gefällt: man ist hin und wieder auf Tour und besucht das Umland sowie auch Schulen. Also all die Dörfer und Gemeinden, „die mit -ingen aufhören“, scherzt Daniel. Theater soll nicht nur einem elitären und akademischen Kreis vorbehalten sein. Ihm ist es wichtig allen Menschen einen Zugang zur Welt des Theaters zu bieten. Auch, wenn es um Schiller oder Feminismus geht - Jede und jeder soll etwas mitnehmen, egal ob mit oder ohne Vorwissen.
„Für mich ist es interessant genau das umzumünzen. Wie kommen wir an diese Leute heran. Wie schaffe ich es meinem Vater, einem Schweißer, von der Bühne aus eine Geschichte zu erzählen?“
Aber auch vor einer Klasse zu stehen ist für Daniel eine besondere Aufgabe. „Ich kenne die jugendliche Sicht von wegen Theater interessiert mich nicht und was wollen die überhaupt von mir“, erklärt Daniel. Dennoch oder gerade deshalb macht es sich Daniel zur Aufgabe mit dieser Sichtweise zu arbeiten und sie in eine neue Richtung zu lenken.
Mut, Energie und Leichtigkeit
Ein großer Unterschied zu all den Städten, in denen Daniel zuvor gelebt hat ist, dass er in Tübingen deutlich schneller und öfter erkannt wird. Er betont, dass er sich freut, wenn er im Pantori oder mal nach einer Premierenfeier in den Kontakt mit Zuschauern und Zuschauerinnen kommt. Weil hier die ganze Anspannung der vergangenen Probenwochen abfällt, kann es hier auch mal etwas wilder zugehen. Diesen einen Ort, an dem die Tübinger Theater-Community zusammenfindet, scheint es in Tübingen noch nicht wirklich zu geben. „Aktuell gibt es viele junge Leute am LTT, die diesen Ort noch suchen“, so Daniel. Ansonsten spielt sich vieles in den Katakomben des LTTs ab. Wo man ihn jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit antreffen kann, ist in der Butterbrezel.
„Das Gute in unserem Beruf ist, ich darf so sein wie ich will. Ich darf Extreme ausüben und man nimmt es mir nicht böse. Und wenn ich mal in der Butterbrezel bin, wird man mich auf jeden Fall erkennen“, sagt Daniel grinsend.
Und darin liegt wohl genau das, was uns an Schauspielern und Schauspielerinnen so fasziniert: diese Leichtigkeit und das ehrliche Ausleben des eigenen Ichs. Daniel bringt es auf den Punkt: „Wir haben während dem Studium viele Hemmungen verloren. Ich habe akzeptiert, dass ich diese Energie habe und muss sie nicht runterdrücken.“
Die Nachwehen einer Rolle
Wie ist es, wenn man in einer Rolle gefangen ist? Welche Prozesse können bei einem intensiven Auseinandersetzen mit einer Rolle losgetreten werden?
Daniel erzählt von dem Stück „Endspiel“ von Samuel Beckett, in dem eine erdrückende Weltuntergangs-stimmung vorherrscht. Die Protagonisten stecken in einer Sinnkriese und stellen sich die existentielle Frage, wozu es sich überhaupt noch zu leben lohnt.
„In dieser Arbeit habe ich gemerkt, dass so vieles falsch läuft. Die Welt ist manchmal so klein und traurig“, so Daniel. In dieser Zeit musste er sich wieder bewusst werden, was ihm am Tag wirklich Spaß macht und versuchte daran festzuhalten.
In der Aneignung einer neuen Rolle geht Daniel so vor, dass er die Eigenschaften und die Art des Wesens in sich selbst sucht. So auch bei der Rolle als Pinocchio. Er sucht die Naivität, die Offenheit und die Neugier gegenüber der Welt in sich.
„Ich bin Pinocchio, ich bin eine Holzpuppe und entdecke die Welt. Ich entdecke die Fröhlichkeit und die Traurigkeit. Ich entdecke alles neu, wie zum Beispiel Freundschaft. Und in diesem Moment erfahre ich eben all das, was Pinocchio erfährt.“
Ihm ist bewusst, dass das, was auf der Bühne passiert, nur ein Moment ist. Sobald der Applaus kommt, ist das Spiel auf der Bühne zu Ende.
„Ich schlüpfe wieder zurück und bin wieder ich - So wie ich mich als Daniel kenne.“
Fotos: Annemone Taake
Autorin: Vicky
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